Autor: Jakob Roschӳ
Die Möllerhalle von 1732 ist das älteste Industriedenkmal im Saarland. Als Möller wird die Mischung aus Erz und den zur Verhüttung erforderlichen Zuschlägen, z.B. Kalk, bezeichnet, die den Rohstoff der Eisenverhüttung bildet. Hinter der Möllerhalle stand der erste Hochofen des Eisenwerks. Später diente die Möllerhalle der Werkskapelle des Hüttenvereins als Proberaum und wurde deshalb auch Musikhaus genannt.
Als Brennstoff für die Eisenverhüttung wurde Holzkohle eingesetzt. Zwei Kohlenscheuern standen etwa an der Stelle des späteren Konsumgebäudes, wegen der Feuergefahr in gebührendem Abstand zum Hochofen. Möller und Holzkohle wurden von oben in den Hochofen geschüttet. Um den Kraftaufwand beim Transport gering zu halten, nutzte man die Hanglage. Deshalb stand der Hochofen im Tal hinter der Möllerhalle.
Schon 1782 wird eine Glocke am Hochofen erwähnt. Sie diente vermutlich dazu, die Hüttenleute zur Arbeit zu rufen, wenn das Eisen geschmolzen war und abgestochen werden konnte.
1803 wurde die Möllerhalle zum derzeitigen Stand ausgebaut. Warum in diesem Rahmen der Stein mit dem Datum 1750 eingesetzt wurde, ist unbekannt. Sophie Krämer stiftete der Möllerhalle zwei neue Glocken und ein mechanisches Uhrwerk, das heute noch besichtigt werden kann. Die Uhr auf dem Dach der Möllerhalle steht für den neuen Zeitbegriff der Industrialisierung. Während Bauern und Handwerker ihre Tätigkeit am natürlichen Rhythmus der Jahreszeiten und am Wechsel von Tag und Nacht ausrichteten, unterwarf die Organisation der Fabrik, ausgehend von der Arbeitzeit, das gesamte menschliche Leben dem in gleichmäßige Einheiten unterteilten, immer gleichen, messbaren Rhythmus der mechanischen Uhr.
Im ersten Weltkrieg verstummten die Klänge der Werkskapelle, als das im Schlafhaus untergebrachte Lazarett den Raum als Leichenhalle benutzte.
Anfang der 1960er Jahre wurde das Musikhaus zur Kapelle im kirchlichen Sinne. Die Pfarrei St. Hildegard hielt alle vier Wochen eine Messe auf der Alten Schmelz ab, um Kranken und Gehbehinderten, die in der Nähe wohnten, den weiten Weg zur St. Hildegardskirche zu ersparen. Tatsächlich kamen auch zahlreiche Gottesdienstbesucher aus anderen Teilen St. Ingberts. Heute harrt das traditionsreiche Gebäude einer neuen Nutzung, die seiner Bedeutung als Denkmal der Industrie- und Ortsgeschichte gerecht wird.
Vom Hochofen zur Möllerhalle
In der Zeitschrift „Saargeschichte/n“, erschien bereits in der Ausgabe 2/2008 unter dem Thema „Historische Bauforschung“ ein Artikel „Im Takt der Hammerschläge – Neue Erkenntnisse zur Geschichte der »Alten Schmelz« in St. Ingbert – Paradestück beim Tag des offenen Denkmals“ von Reinhard Schneider.
Diese Erkenntnisse betreffen hauptsächlich die ursprüngliche Größe und Funktion des Gebäudes, das man heute Möllerhalle nennt, – die aber in der Öffentlichkeit bisher leider keinen erkennbaren Einfluss fanden. Nachfolgend wird versucht, nach diesen Erkenntnissen die Entwicklung vom ersten Hochofen der Alten Schmelz bis zur heutigen Möllerhalle aufzuzeigen.
So wie hier auf dem Bild kennt man die Möllerhalle heute, in den 2020er Jahren. Hinter dem noch intakten Gebäudeteil schließt sich eine Ruine an, wovon nur noch die Außenmauern eines Erd- bzw. Kellergeschosses stehen. Dies legt die Annahme nahe, dass das Gebäude, das heute Möllerhalle genannt wird, früher nach Süden länger war und sich mindestens über den Bereich der Ruine erstreckte.
Im Artikel „Im Takt der Hammerschläge – Neue Erkenntnisse zur Geschichte der »Alten Schmelz« in St. Ingbert“, werden eindeutige Indizien aufgezeigt, dass das Gebäude noch viel länger als nur bis zur Ruine war und vermutlich eine Länge von 25 bis 30 Metern hatte.
Durch weitere Recherchen in historischen Quellen konnte diese Einschätzung bestätigt werden, wonach sich dieses Gebäude sehr wahrscheinlich sogar bis in das nördliche Seitenteil der späteren Mechanischen Werkstatt erstreckte.
Interessante Rückschlüsse lassen sich aus der Beobachtung eines Bauplans aus dem Jahr 1906 ziehen, als die Mechanische Werkstatt geplant, aber noch nicht gebaut war.
Mit M ist die heute noch vorhandene Möllerhalle bezeichnet, aus dem Kesselhaus- Gebäude nebenan wurde die spätere Feuerwehrgarage, das Gebäude der darunter liegenden Walzendreherei wurde schon vor langer Zeit abgerissen, das Gebäude der alten Schlosserei besteht immer noch.
Mit 3 wurde die frühere große Hochofenhalle von 1808 bezeichnet, die hier in roten Linien dargestellt ist und wovon die Möllerhalle nur der kleine nördliche Teil war.
9 ist eine Gebäudegruppe, die sich früher hier befand, bevor der Mechanische Werkstatt errichtet wurde. Diese Gebäude schienen nicht rein zufällig an dieser Stelle zu stehen !
Das größere Gebäude 9a befindet sich mit seiner Nordseite erstaunlich genau gegenüber und genau parallel zur Möllerhalle, so dass sich der Verdacht aufdrängt, dass es sich bei diesen Gebäuden um Erweiterungen handelt, die an die frühere große Hochofenhalle 3 angebaut wurden. Demnach reichte diese Hochofenhalle bis ins nördliche Seitenteil der späteren Mechanischen Werkstatt.
Später wurde diese Hochofenhalle bis auf die heutige Möllerhalle abgerissen, wonach die Gebäudegruppe 9 nun isoliert und abseits von anderen Gebäuden stand. In späteren Lageplänen wurde sie dann als Gießerei bezeichnet.
Innerhalb der Umrisse der geplanten neuen Mechanischen Werkstatt befanden sich zuvor die Gebäude 9a…f, die abgerissen wurden.
Historischer Verlauf im Detail
Das St. Ingberter Eisenwerk wurde 1732 erbaut und nahm 1733 den Betrieb auf, aber leider gibt es nur sehr wenige bildliche Darstellungen und Pläne aus der frühen Zeit.
Einen frühen Nachweis zur Alten Schmelz findet man auf den Karten Naudins aus den 1730er Jahren, als die St. Ingberter Schmelz gerade neu erbaut wurde. Die Gebäude sind jedoch nur als winzige rote Punkte zu sehen und werden mit „Forge de St-Jmbert“ bezeichnet. (Carte C08 • Zone C08 / Z02-01)
Die älteste noch erhaltene aussagefähige zeichnerische Darstellung des Werks ist eine geometrische Karte von 1791, also fast 60 Jahre später. Diese entstand im Zusammenhang, als Philipp Heinrich Krämer im Jahre 1791 Mitpächter des St. Ingberter Eisenwerks wurde.
1791: Auf diesem Ausschnitt aus dieser Karte verläuft von Ost (im Bild rechts) nach West (links) ein Weg, der später zur „Alleestraße“ wurde.
Auf der Südseite (unten) befinden sich von Ost nach West vier Funktionsgebäude, das erste 1b, ist unbeschriftet und enthielt das kleine Hammerwerk, es folgt der „Gros Hammer“ 1a, die „Schmelz“ 3 – also das Hochofengebäude und das „Form Haus“ 2, danach folgt ein Gebäude „Wohnung“ 5 .
Zwischen den Gebäuden 1a und 1b sowie zwischen 1a und 3 befinden sich die Wasserräder 7a und 7b, die vom Wasser aus dem Teich gegenüber angetrieben wurden.
Auf der Nordseite (oben) sieht man, vom Osten kommend, einen als „Reserve und Canal“ bezeichneten Teich, darüber befinden sich die Kohlenscheuern 4a und 4b.
Weiter westlich am Weg ist noch eine Stallung 6. Darauf folgt eine Park- und Gartenanlage 8.
Das Gebäude „Schmelz“ 3, das eigentliche Hochofengebäude, mit einer sehr unregelmäßigen Grundfläche.
Es folgt ein „Form Haus“ 2 und mit etwas Abstand ein Gebäude „Wohnung“ 5.
Am 1. November 1794 wurde Philipp Heinrich Kraemer alleiniger Pächter des St. Ingberter Eisenwerks und verlegte dabei seinen Wohnsitz von Saarbrücken nach St. Ingbert.
Am 5. April 1799 wurde ein neuerbauter Schmelzofen unter Anteilnahme der ganzen Familie Kraemer angesteckt.
Am 12. Dezember 1804 ging das St. Ingberter Eisenwerk aus dem Pachtverhältnis in das Eigentum der Witwe des im Jahre 1803 verstorbenen Herrn Philipp Heinrich Kraemer über.
Das nächste Dokument ist ein um 1803 von Johann Friedrich Dryander gemaltes Ölbild, das die Familie Kraemer zeigt. Der Standort der Personengruppe muss etwa die mit X bezeichnete Stelle in obigen Plan an einer Baumgruppe neben dem Schmelzkanal (Teich) gewesen sein, mit Blickrichtung nach Westen. Unter dem Tisch hindurch ist noch ein Ausläufer dieses Teiches T zu sehen.
Links im Bild kann man drei Gebäude in einer Flucht erkennen.
Das erste Gebäude 3 scheint eingeschossig zu sein. Die aus dem Schornstein schlagenden Flammen und der Arbeiter, der eine beladene Karre durch das hohe Tor im Giebel schiebt, lassen vermuten, dass es sich um das Hochofengebäude handeln könnte.
Es erscheint jedoch als solches erstaunlich klein und stimmt mit seiner rechteckigen Bauform nicht mit dem als „Schmelz“ (3) bezeichnete Gebäude auf der „Geometrischen Carte“ von 1791 überein. Es scheint sich in einem guten Zustand zu befinden und wurde wohl zusammen mit dem neuen Schmelzofen von 1799 neu erbaut. Mit der heutigen Möllerhalle hat es jedoch auch keine Ähnlichkeit.
Das „Gros Hammer“- Gebäude (1a, oben) müsste sich links außerhalb des Bildes befinden.
An der Stelle, wo sich auf der „Geometrischen Carte“ von 1791“ das „Form Haus“ (2) befand, steht nun ein zweigeschossiges Wohnhaus (2), wobei es sich um einen Umbau des früheren Formenhaus oder einen Neubau handeln könnte. Es handelt sich sehr wahrscheinlich um das erste Wohnhaus bzw. Herrenhaus der Familie Kraemer in St. Ingbert.
Ganz links im Bild kann man Einrichtungen erkennen (7), die der Wasserzufuhr der Wasserräder dienten. Mit dem großen Rad wurde wohl die Wasserzufuhr reguliert.
Bei dem Gebäude (5) handelt es sich sehr wahrscheinlich um das Gebäude „Wohnung“ (5) auf obiger Karte, bei dem Gebäude (6) um die Stallung (6).
Der scheunenartige Bau (4) entspricht wohl der Kohlenscheuer (4c), die auf der nachfolgenden Karte von 1804 zusätzlich zu den bereits vorhandenen Kohlenscheuern (4a) und (4b) errichtet worden war.
Im Gegensatz zum obigen Gemälde erscheint jedoch auf einer Karte von 1804 das Hochofengebäude 3 deutlich größer als das Wohnhaus 2, – an eine genaue maßstäbliche Darstellung aus dieser Zeit darf man keine allzu hohen Ansprüche stellen.
Die Gebäude sind durchnummeriert, eine Legende zu dieser Karte liegt jedoch leider nicht vor. Neu hinzu kamen auch noch die Gebäude Nr. 93 und 94.
Das zeitlich nächste vorhandene Dokument ist erst wieder eine Karte von 1842, also fast 30 Jahre später, eine Zeit, in der viel passieren kann, auch damals schon.
Durch die eingehende bauhistorische Untersuchung der Möllerhalle und ihrer Nachbargebäude in den 2000er Jahren konnte jedoch einiges Licht in das Dunkel der Zwischenzeit gebracht werden.
Zur genaueren Datierung der erkannten Bauphasen wurden dendrochronologische Untersuchungen (Altersbestimmung des Holzes anhand seiner Jahresringe) durchgeführt.
Daraus ergibt sich für die Möllerhalle folgender Ablauf der Baugeschichte:
(Um-) Bauphase 1: 1808
Die Umsätze des Eisenwerks St. Ingbert im Besitz der Familie Kraemer schienen sich sehr gut zu entwickeln, weshalb die von Dryander 1804 dokumentierte ältere Hochofenhalle, (die wohl erst 1799 neu gebaut wurde,) schon ab dem Jahr 1808 durch eine neue, sehr viel größere Hochofen- und Gießereihalle ersetzt wird, die mit anspruchsvollen architektonischen Stilelementen versehen wurde.
Diese liegt mit dem nördlichen Giebel an der Alleestraße. In dessen Mitte befindet sich ein rundbogiges Portal, worüber in einem zementierten Feld zwei gekreuzte Schlägel und die Jahreszahl 1750 angebracht ist, die jedoch nicht als Erbauungszeit des Gebäudes angesehen werden kann.
Oberhalb der Giebelfront befindet sich ein Schiefertürmchen mit Uhr und Glocken, was zusammen mit der attraktiven Giebelfront wohl sehr dazu beitrug, dass dieses Gebäudeteil bis heute als „Möllerhalle“ erhalten blieb.
1808:
Das gesamte Bauwerk 3, das damals vermutlich nur aus einem einzigen großen Raum bestand, reichte ursprünglich sehr viel weiter nach Süden.
Wie schon zuvor nutzte man wohl weiterhin die Hanglage, um vom höheren nördlichen Niveau, auf dem die Möllerhalle liegt, mit weniger Arbeitsaufwand den südlich auf niedrigerem Niveau befindlichen Hochofen von oben befüllen zu können.
Demnach befand sich der Hochofen sehr wahrscheinlich direkt hinter der heute noch vorhandenen Möllerhalle, also in der jetzt offenen Ruine. Der Rest des Raumes diente wohl als Gießhalle.
Ein Zimmermannszeichen im Dachstuhl der Möllerhalle kennzeichnet diesen Teil als letzten von insgesamt fünf Teilen, worauf man rückschließen kann, dass der gesamte Bau möglicherweise eine Länge von 30 bis 40 Meter hatte!
Es ist vielleicht auch kein Zufall, dass diese Halle über den Kanal K gebaut wurde, möglicherweise, um dessen Wasserkraft zu nutzen. Direkt nach der westlichen Außenmauer der Halle verläuft der Kanal wieder oberirdisch.
Welche Gebäude sich zu dieser Zeit östlich der neuen Halle 3 befanden, z. B. die Hammerwerke, ist z. Zt. noch unbekannt, weshalb sie auf diesem Bild weggelassen wurden.
Auch ist nicht bekannt, wann das Wohnhaus (2) nach Westen erweitert wurde.
Erweiterungen zwischen 1808 und 1833
Die Produktion des St. Ingberter Eisenwerks vergrößerte sich wohl kontinuierlich, so dass die erst im Jahr 1808 errichtete Hochofen- und Gießereihalle 3 nach einigen Jahren schon wieder zu klein war und durch die Anbauten 9 erweitert wurde. Diese Gebäude wurden wohl zwischen 1808 und 1833 errichtet, möglicherweise in Teilen nacheinander.
In späteren Lageplänen wird diese Gebäudegruppe als Gießerei bezeichnet.
Umbauphase 2: 1833
Im Jahr 1833 erfolgte eine tiefgreifende Veränderung, bei der die Hochofen- und Gießereihalle aus dem Jahr 1808 bis auf das nördliche Teil, die heute noch vorhandene Möllerhalle (M), abgerissen wurde.
Stattdessen wurde hinter der (Rest)- Möllerhalle eine neue große Werksanlage in West-Ost-Richtung errichtet, also um 90° versetzt zur vorherigen Halle.
Nach der Darstellung kann man vermuten, dass sie aus einer großen Hochofen- und Gießereihalle (3) bestand und am östlichen Ende in ein kleineres und möglicherweise älteres Gebäude oder Anbau überging.
(Auf dieser glücklicherweise nicht sehr sorgfältig retuschierten Karte, Stand 1842, kann man noch zeichnerische Überreste der vorherigen Halle erkennen).
Über den Grund für diesen aufwändigen Umbau kann man nur spekulieren.
Möglicherweise spielte die Nutzung der Hanglage eine Rolle. In der vorherigen Halle konnte man die Geländeabstufung zwischen höherem nördlichem und niedrigerem südlichem Niveau nur in der schmalen Seite nutzen, während die Geländeabstufung nun über die gesamte Längsseite der Halle nutzbar war.
Die Gebäudegruppe 9 blieb vom Abriss verschont, die nun abseits von den anderen Gebäuden stand.
Im Hintergrund des Familienporträts Friedrich Christian Kraemer (Louis Krevel, um 1837) ist die durch ihr mächtiges Walmdach auffallende Halle (3) zu erkennen.
Legende Bild und Lageplan (oben):
2 Wohnhaus, (altes Herrenhaus),
3 Hochofen- und Gießereihalle ab 1833,
9 Gebäudegruppe 9,
12 „weißes Haus“,
M (Rest)- Möllerhalle, im Bild lässt sich der Turm der Möllerhalle im Rauch nur erahnen.
Bei dieser umfassenden Neugestaltung wurde auch an einem neuen Standort ein neuer, wohl größerer Hochofen errichtet.
Bei Ausgrabungen im Jahr 2008 wurde südlich und unterhalb der heutigen Feuerwehrhallen ein runder Sockel aus Ziegelsteinen gefunden, der kaum denkbar zu einem anderen Zweck denn als Sockel eines Hochofens gedient haben könnte.
Bevor 1833 hier die neue Hochofenhalle errichtet wurde, befand sich etwa an dieser Stelle das große Hammerwerk.
Es ist sowohl zeitlich wie auch sachlich sehr unwahrscheinlich, dass dieser runde Sockel dem früheren Hammerwerk zuzuordnen wäre und nicht dem späteren Hochofen.
Die Lage entspricht etwa der Mitte der Halle 3a+b und passt somit völlig harmonisch als Standort des Hochofens nach dem Baustand von 1833.
Der Sockel ist teilweise von den Fundamenten der späteren Walzendrehbänke (ab 1898) überbaut.
Die bisherige Möllerhalle passte nicht mehr in das neue Konzept und blieb wohl nur wegen ihrem Turm mit Uhr und Glocken und ihrem repräsentativen Aussehen erhalten.
Mit dem Ziel einer neuen Nutzung wurde sie völlig umgestaltet und zweckentfremdet, so dass damit kein Hochofen mehr beschickt werden konnte.
In dieser nunmehr ehemaligen Möllerhalle wurde auf der Stützmauer zwischen höheren nördlichen und niedrigerem südlichen Niveau ein rückwärtiger Giebel aus Backsteinen als neuer südlicher Abschluss errichtet.
Das Erdgeschoss dieses nun separierten Gebäudes liegt somit ausschließlich auf dem höheren nördlichen Niveau.
Im Gebäude wurde eine Geschossdecke auf Holzstützen eingezogen.
Das Erdgeschoss besteht aus nur einem Raum, der nach oben durch diese Decke abgeschlossen ist.
Das dadurch entstandene Obergeschoss wurde durch Fachwerkwände in drei Räume unterteilt. Zwei davon liegen an der Nordseite und wurden als Wohn- (oder Büro-?) -Räume ausgebaut. Der dritte Raum ist bis zum First offen, eine schmale steile Treppe führt zum Spitzboden und von hier zum Dachreiter (Turm), der mit einer Uhr und Glocken ausgestattet ist.
Der Zugang zu diesem Dachgeschoss erfolgte an der Westseite durch eine heute nicht mehr vorhandene außenliegende Treppe und einem gaubenartigen Zugang. Dessen obere Hälfte liegt oberhalb der Traufe im Dach, die untere Hälfte in der Außenwand.
Die Herstellung dieses Zugangs war mit folgenschweren und unsachgemäßen Eingriffen in das Gefüge von Mauerwerk und Dachtragwerk verbunden.
Es ist heute nicht mehr nachvollziehbar, warum man diesen umständlichen Zugang wählte, wo eine Treppe im Innern des Gebäudes oder von außen durch den neuen rückseitigen Giebel sehr viel einfacher auszuführen gewesen wäre.
1849: Hochofen 2 wird erbaut
Durch die weitere Steigerung von Walzprodukten wurde im Jahr 1849 der Bau eines zweiten Hochofens H2 erforderlich, der erstmals auch mit Koks zu betreiben war.
Dieser befand sich in einer Halle 12, die östlich an die Hochofen 1- Halle 3b angebaut wurde, jedoch in Nord-Süd- Ausdehnung.
Nach der Stilllegung des Hochofens wurde diese Halle zur früheren Schlosserwerkstatt umgebaut und ist heute noch als „Alte Schlosserei“ vorhanden.
Als Lageplan mit Hochofen 2 ist leider nur ein solcher mit dem Baubestand von 1887 vorhanden, als die Hochöfen aber schon seit 1885 stillgelegt waren. Dieser Plan wurde erst um 1912/13 erstellt und scheint in historischen Details fehlerhaft zu sein.
Hier wird der Standort des Hochofen 1 (Pos. H1?) noch direkt hinter oder zum Teil noch in der Möllerhalle gezeigt, wie es dem Baustand von 1808 entsprach, aber nach dem Umbau der Möllerhalle 1833 nicht mehr möglich war. Eher wahrscheinlich befand sich der damalige Hochofen 1 etwa an der Position H1+.
1885: Stilllegung der Hochöfen
Im Jahr 1885 wurden sämtliche Hochöfen stillgelegt.
Der Hochofen 1 samt Gießhallen wurde komplett abgerissen, ebenso Hochofen 2, dessen Gießhalle jedoch 1888 zur früheren Schlosserwerkstatt 12 umgebaut wurde und bis heute erhalten ist. Nur die Möllerhalle M wurde auch diesmal vom Abriss verschont, wie auch die Gebäudegruppe 9 .
Welcher Anteil der Hochofen 2- Halle beim Umbau zur damaligen Schlosserwerkstatt weiter verwendet wurde, ist noch unbekannt.
Nach Form, Lage und Größe hat diese Halle eine gewisse Ähnlichkeit zur ursprünglichen älteren Hochofenhalle 1 von 1808, nur dass sie etwas weiter östlich liegt.
Umbauphase 3: 1898 Bau einer Walzendreherei
Auf der nun freien Fläche der abgerissenen Hochofen 1- Hallen wurde 1898 eine neue Walzendreherei errichtet, in der abgenutzte Walzen wieder in Form gebracht werden.
Das langgestreckte Hauptgebäude 3c wurde in West-Ost-Ausdehnung auf der unteren, südlichen Ebene errichtet. Ohne eigene östliche Abschlusswand wurde es direkt an die Westseite des Schlossereigebäudes 12 angebaut.
In seiner West-Ausdehnung reichte es sehr knapp an das mittlerweile als „Beamten-Wohnung“ geführte Wohnhaus 2 heran.
Ein Zwischengebäude 3e, aus dem die heutige Ruine hervorging, verband das Hauptgebäude 3c mit der verbliebenen Möllerhalle M.
An den Verputz- Überresten kann man heute noch erkennen, das dieses Gebäude aus 2 Etagen bestand. Von dessen Erdgeschoss führt eine Tür zum Hauptgebäude 3c und im Innern eine Treppe zum Obergeschoss. Seine West-Ausdehnung läuft parallel zum Hauptgebäude und reicht daher über die Westseite der Möllerhalle hinaus. Vermutlich befanden sich in diesem Gebäude die Sozialräume für die Belegschaft, möglicherweise auch noch ein Büro zur Verwaltung.
Auf der oberen und nördlichen Ebene lag neben Möllerhalle und Zwischengebäude das Kesselhaus 3d, worin sich die Dampfkessel und Dampfmaschinen zum Antrieb der Walzendrehbänke befanden.
Die Gebäudegruppe 9 war noch bis zum Jahr 1906 vorhanden, in der laut Plan nun die Abteilung „Stellmacher“ (~Wagnerei) untergebracht war. Es handelt sich um kleinere, eingeschossige Gebäude, wie auf dem Bild unten erkennbar ist. Sie wurden abgerissen, als sie dem Bau der neuen Mechanischen Werkstatt weichen mussten.
Im Jahr 1907 war die Mechanische Werkstatt fertiggestellt und wurde zur neuen Nr. 9, wodurch die Walzendreherei- Gebäude 3c und 3d sowie die Möllerhalle M in den Hintergrund gerieten. Der Kanal K fließt jetzt unter der Mechanischen Werkstatt hindurch, Spuren davon sind noch heute, 2020, zu sehen.
Innenansicht der Walzendreherei, Blick von west nach ost (Bild oben). Im Hintergrund kann man die Fenster der alten Schlosserei erkennen. Das Walzendreherei- Gebäude schloss östlich direkt an die alte Schlosserei an und hatte keine eigene Giebelwand.
An den Seitenwänden kann man auf mittlerer Höhe die durchgehenden Transmissionswellen erkennen. Diese wurden von Dampfmaschinen angetrieben und jede einzelne Walzendrehbank wurde über einen Treibriemen an die Transmissionswelle angekoppelt.
Dampfmaschinen waren aufwändig und kompliziert, daher war es üblich, mit einer großen Dampfmaschine viele Maschinen, in diesem Fall Walzendrehbänke, über eine Transmissionswelle gemeinsam anzutreiben.
In den beiden etwa halbkreisförmigen Abdeckhauben links im Bild befanden sich die Antriebsräder und Treibriemen, die zu den Dampfmaschinen nebenan im Kesselhaus 3d, (spätere Feuerwehrgaragen) führten.
Wie die Transmissionswelle gegenüber an der Seitenwand rechts im Bild angetrieben wurde, ist nicht zu erkennen.
Über Schmalspur-Gleise erfolgt der Transport nach außen, ein Brückenkran bewegt die Walzen von und zu jedem beliebigen Punkt innerhalb der Halle.
Entwicklungen zuungunsten der 1898er Walzendreherei
Im Jahr 1909 ging die Elektrische Zentrale nahe am Oberen Werk, an der Dudweiler Straße in Betrieb. Mit Dampfkraft wurde der elektrischen Strom für den Bedarf des Eisenwerks erzeugt.
Nach dem Ersten Weltkrieg bezog das Eisenwerk jedoch seinen Strom kostengünstiger aus dem Hochspannungs- Überlandnetz, wodurch die Maschinen zur Stromerzeugung überflüssig wurden.
Zu dieser Zeit wurden auch die Walzbetriebe auf das Obere Werk konzentriert, wodurch die Lage der Walzendreherei im Unteren Werk ungünstig wurde. Daher passte es sehr gut zusammen, die Walzendreherei im nun frei gewordenen Gebäude der Elektrischen Zentrale einzurichten.
Der Abriss
Die im Jahre 1898 erbaute Walzendreherei hinter der Möllerhalle hatte dann keine Verwendung mehr und wurde später abgerissen. Auf einem undatierten Lageplan nach Weltkrieg 1 oder 1920er Jahre ist sie noch eingezeichnet, auf einem Lageplan von 1958 war sie verschwunden, weitere Dokumente sind nicht vorhanden.
Auch lässt sich kein Grund für den Abriss erahnen.
Auf diesem Bild unbekannten Datums kann man hinter der Möllerhalle M das Gebälk der 1898er Walzendreherei 3c sehen, die augenscheinlich wohl gerade abgerissen wird.
Auch sieht man einen kleinen Teil des Gebäudes 3e, das zwischen Möllerhalle und Walzendreherei lag und dessen Keller- bzw. Erdgeschoss heute als offene Ruine übrig geblieben ist. Wie ersichtlich, verläuft dessen Dach parallel und als Fortsetzung zum Dach des großen Walzendreherei- Gebäudes, also um 90° versetzt zu dem der Möllerhalle.
Es handelte sich wohl um einen Nebenraum der Walzendreherei und ragte ursprünglich in westlicher Richtung über die Möllerhalle hinaus.
Einen zeitlichen Anhaltspunkt hätte man, wenn sowohl das Datum des Rückbaus der im Vordergrund verlaufenden Schmalspurgleise S oder des Rückbaus der Treppe T bekannt wäre.
Die 1898 erbaute Walzendreherei wurde bis auf die Nordmauer abgerissen, da diese weiterhin benötigt wurde.
Der untere Teil (1) dient als Stützmauer für das höher gelegene nördliche Geländeniveau. Der obere Teil (2) stellt die südliche Außenwand des früheren Kesselhaus 3d (spätere Feuerwehrgarage) dar. Auf der Mauerkrone (3) befinden sich noch die Halteschrauben der früheren Kranbahn- Laufschiene.
(4), nun zugemauert, war ein Durchgang für die Treibriemen zu den Dampfmaschinen im Kesselhaus, siehe Bild Innenansicht.
(5) ist die westliche Außenwand der alten Schlosserei, die zugleich als östliche Außenwand des Walzendreherei- Gebäudes diente, da dieses keine eigene Giebelwand hatte.
Auf dem Foto der Innenansicht (oben) ist zu erkennen, dass alle Wände verputzt waren. Dieser Verputz war nicht wetterfest und ist im Laufe der Zeit fast vollständig abgefallen. Die zunehmende Verwitterung des gesamten Mauerwerks über all die Jahre wurde tatenlos hingenommen, auch schon lange vor der Stahlkreise ab den 1980er Jahren.
Spätestens ab den 1960er Jahren war auf der Grundfläche der nun ehemaligen Walzendreherei ein überdachter Abstellplatz für Zweirad- Fahrzeuge der Mitarbeiter eingerichtet, der zur Mechanischen Werkstatt hin eingezäunt war. Hinter diesem Zaun befand sich, ebenfalls überdacht, ein Lagerplatz für Langmaterial (Rohre, Stäbe, I – L- U- und sonstige Profilschienen) für den Bedarf der Mechanischen Werkstatt.
Das Gebäude 3e hinter der Möllerhalle diente zuletzt als Nebengebäude der Walzendreherei und wurde zusammen mit dieser abgerissen, aber nur teilweise.
An den Verputz- Überresten an der südlichen Rückwand der Möllerhalle M und am westlichen Giebel des Kesselhaus 3d, kann man heute noch erkennen, das dieses Gebäude aus 2 Etagen bestand.
Das Erdgeschoss war über eine Tür vom früheren Hauptgebäude 3c aus zugänglich und im Innern führte eine Treppe zum Obergeschoss. Vermutlich befanden sich in diesem Gebäude die Sozialräume für die Belegschaft, möglicherweise auch noch ein Büro zur Verwaltung.
Eine Erklärung, warum nur dieses Obergeschoss, einschließlich Boden, abgerissen wurde, jedoch nicht die Außenmauern des Erdgeschosses, wurde noch nicht gefunden.
G Giebelwand, eingezogen 1833, als die zuvor viel weiter nach Süden reichende Halle verkürzt wurde.
M Stützmauer des höheren nördlichen Niveaus der Möllerhalle zum südlichen niedrigerem Niveau, ursprünglich wohl schon zur Gründung 1732 errichtet, wurde möglicherweise beim Bau der neuen Halle 1808 erneuert. Durch diese Geländestufe konnte mit weniger Arbeitsaufwand der auf dem unteren Niveau befindliche Hochofen von oben befüllt werden.
T Treppe, spätestens 1808 erbaut, möglicherweise schon früher. Bevor die Giebelwand im Jahr 1833 eingezogen wurde, gelangte man von dieser Treppe vom hohen zum niedrigem Niveau der damals durchgängigen Halle.
S vermutlich uralter Teil der Stützmauer mit groben, stark verwitterten Sandsteinen.
K Hohlraum, wobei es sich um den Ausgang eines Kanals handeln könnte.
Quellen:
„Im Takt der Hammerschläge – Neue Erkenntnisse zur Geschichte der »Alten Schmelz« in St. Ingbert“ / Reinhard Schneider, erschien in der Zeitschrift „Saargeschichte/n“, Ausgabe 2/2008, Thema „Historische Bauforschung“ .
Eisenwerk St. Ingbert 1733 – 1913 /Rudolf Kröll, Eisenwerk St. Ingbert
Geschichte des Eisenwerkes zu St. Ingbert / Dr. Wolfgang Krämer 1933
Die Alte Schmelz St. Ingbert – Industriegeschichtlicher Rundweg / Harald Glaser 2001
ZeitenSprung – Christel Bernard
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